Kalmar bis Visby

Juli 3, 2019 11 Von Birte

27. Juni 2019

Nach dem feucht-fröhlichen Abend bei Joachim und Marlene an Bord haben wir lange geschlafen. Als wir gegen 1030 aufgestanden sind, waren Joachim und Marlene schon weg. Sie hatten uns erzählt, dass sie nach Figeholm, nördlich vom Kalmarsund, wollten. Dort wird es dann richtig schön, weil da die Schären anfangen. Da jedoch so gut, wie kein Wind angesagt war, hatten wir uns dagegen entschieden. Denn 1. sind es über 50 sm bis dahin und 2. stehen wir nicht so auf Motorfahrt. Charisma ist schließlich ein Segelboot!

Aber wir hatten eh schon vorher überlegt, einen Hafentag in Kalmar einzulegen. Kalmar ist eine sehr geschichtsträchtige Stadt und besitzt ein hervorragend erhaltenes Schloss aus dem Mittelalter. Horst und Waltraut hatten es uns ans Herz gelegt, dieses zu besichtigen. Es gäbe auch eine Vincent van Gogh Ausstellung mit Multimediapresentation. Also haben wir beiden Kulturbanausen uns auf den Weg dorthin gemacht. Und was soll ich sagen? Es hat sich wirklich gelohnt. Es sehr liebevoll erhalten und die Angestellten, gekleidet in den Kostümen der damaligen Zeit, geben diverse Vorstellungen, wie es zu der Zeit ausgesehen haben muss.

Auf dem Rückweg sind wir dann noch bei einem Yachtausrüster eingekehrt, um zum einen die von Andi  verlorene Gennacker-Schot und zum anderen den von mir verlorenen Henkeleimer nachzukaufen. Das hat auch gut geklappt, denn der Ausrüster dort ist gut sortiert.

Kurz, nachdem wir wieder zurück waren, lief ein deutsches Boot in den Hafen. Horst und Waltraut waren auch noch da und so ergab es sich, dass dieses deutsche Boot in die Box zwischen uns anlegen wollte. Natürlich haben wir geholfen und Leinen angenommen. Und wie das dann so ist, kommt man erst mal ins Schnacken. Wo kommt Ihr her? Wo wollt Ihr hin? Wie lange habt Ihr Urlaub? Etc… Unsere neuen Nachbarn waren Norbert und Doreen aus Laboe. Ach, guck an. Kieler Förde. Quasi Nachbarn. Die beiden haben eine Decksalonyacht. Eine Sirius 38 DS. Und Andi war sehr interessiert, das Boot einmal zu besichtigen. Kein Problem, sagte Norbert. Kommt doch einfach nach dem Essen zu uns rüber. Gesagt, getan. Das Boot ist schon wirklich beeindruckend. Super durchdacht und von hervorragender Qualität. Wird übrigens auf einer kleinen Werft in Plön gebaut.

Das war dann der nächste sehr schöne Abend mit vollkommen unbekannten Menschen. Aber so ist es halt beim Segeln. (@Norbert und Doreen: Falls Ihr das hier lest, meldet Euch doch mal. Wir haben ja nicht mal Nummern ausgetauscht)

28. Juni 2019

Am nächsten Morgen haben wir dann mal wieder abgelegt. Obwohl wieder kaum Wind war, wollten wir nicht noch einen Tag in Kalmar verbringen. Wir wollten weiter nach Norden. Allerdings kam der spärliche Wind auch aus Norden. Also sind wir bei wenig Wind gekreuzt und haben nach 17 sm in Borgholm festgemacht. Ganz netter Hafen auf Öland. Mehr aber auch nicht. Ich war irgendwie groggy, habe mir die Hängematte zwischen Mast und Vorstag aufgehängt und erst mal ein bisschen relaxed. Ansonsten noch Kochen, Essen und Schlafen.

29. Juni 2019 (Windverarschungstag)

Wieder super schönes Wetter und guter Wind. Wir hatten noch von einem Freund den Tipp bekommen, dass Byxelkrok an der Nordspitze Ölands sehr schön sein soll. Und es passte auch gut als Absprunghafen nach Visby auf der Insel Gotland. Eine halbe Stunde vor uns ist eine deutsche Yacht mit einem Rentnerehepaar als Besitzer ausgelaufen. Als wir dann ausgelaufen sind, mussten wir mal wieder „platt vorm Laken“ segeln. Mir fällt gerade ein, dass es vielleicht mal an der Zeit ist, der lesenden Lattrattengemeinde ein paar nautische/seglerische Begriffe zu erklären, damit Ihr wisst, worum es geht. Also:

Platt vorm Laken bedeutet, dass der Wind genau von hinten kommt

Backstagbrise bedeutet, dass der Wind von schräg hinten kommt

Halbwind bedeutet, dass der Wind genau von der Seite kommt

Am Wind bedeutet, dass der Wind mehr von vorne kommt, als Halbwind

Steuerbord ist rechts und hat die Farbe Grün

Backbord ist links und hat die Farbe Rot

Die Entfernung auf See wird in Seemeilen [sm] gemessen. Eine Seemeile entspricht 1,86 km

Die Geschwindigkeit wird in Knoten [kn] gemessen. Ein Knoten entspricht 1 sm/h oder 1,86 km/h

Das Großsegel ist hinter dem Mast und ist am Großbaum befestigt.

Das Vorsegel ist vor dem Mast und wird „offen“ gefahren

So, muss erst mal reichen…

Na, jedenfalls hatten wir das Groß gesetzt und waren auch ganz gut mit 6 kn unterwegs. Nach ca. einer Stunde sah ich vor uns die deutsche Yacht des Renterehepaares. Die Störtebeker. Wir liefen locker auf sie auf. Die waren allerdings im Schmetterling unterwegs ( wieder so ein Begriff: Schmetterling bedeutet, dass das Großsegel auf der einen Seite und das Vorsegel auf der anderen Seite gefahren wird. Geht aber nur bei „Platt vorm Laken“. Alles klar?)

Doch plötzlich wurde der Wind immer schwächer. Wir waren nur noch mit 3-4 kn unterwegs. Also hat Andi beschlossen, den Gennaker zu setzten. (Wieder so ein Begriff: Der Gennaker ist ein Segel für raume Winde, also schräg von hinten, und ist aus ganz leichtem Tuch gemacht. So, wie Fallschirme oder Gleitschirme).  Allerdings bringt er nicht viel beim Platt vorm Laken- Segeln, so lange das Großsegel noch steht. Denn das deckt den Gennaker ab. Also mussten wir das Groß runter nehmen. Doch dafür müssen wir in den Wind drehen, weil wir Lazyjacks und ein Lazybag haben.  Muss ich auch nochmal erklären:  Lazyjacks sind Leinen, die vom oberen Teil des Mastes zum Großbaum führen und verhindern, dass das Segel beim Ablassen auf Deck fällt. Das Lazybag ist eine Art Tasche, in das das Segel dann hineinfällt. Sehr praktisch und, wie der Name „lazy“ schon sagt, für uns faule Leute perfekt. Aber, wie alles im Leben, hat auch dieses System einen Nachteil. Denn man muss, um das Segel zu bergen, in den Wind drehen. Also einmal komplett umdrehen. Das hatte in dieser Situation natürlich den Nachteil, dass die Sörtebeker, stur im Schmetterling, wieder Distanz zu uns aufbauen konnte.

Anyway, der Gennaker stand und wir machten wieder einiger maßen Fahrt. Dann plötzlich drehte der Wind. Erst auf Backstagbrise, dann auf Halbwind und er nahm zu. Wir machten richtig gut Fahrt und hatten die Störtebecker schon fast in Reichweite. Doch dann drehte der Wind noch weiter, so dass wir den Gennaker nicht mehr fahren konnten. Er musste also wieder runter und das Groß wieder hoch. Das bedeutet allerdings, wieder in den Wind drehen, um das Groß zu setzten. Zack, wieder hatte die Störtebecker Distanz aufgebaut. Egal, wir waren dann mit Vollzeug (Volle Besegelung) unterwegs und haben wieder aufgeholt und dann letztendlich auch überholt. Gott sei  Dank, ansonsten wäre Andi gefrustet gewesen. Aber das ist noch nicht das Ende. Keine 30 min, nachdem wir die Störtebecker überholt hatten, knickte der Wind schon wieder ein. Er wurde weniger und weniger und weniger. Die Störtebecker hat irgendwann aufgegeben und den Motor angeschmissen, aber ich beharrte darauf, weiterhin zu Segeln. Andi, der auch schon längst den Motor angemacht hätte, hat es aber mir zu Liebe gelassen. Nun hat die Störtebecker uns wieder überholt und auch ich musste irgendwann, als der Wind komplett eingeschlafen ist, einsehen, dass wir ohne Motorunterstützung nie in Byxelkrok ankommen würden. Also Motor an und Hebel auf den Tisch. Dadurch konnten wir dann die Störtebecker das zweite Mal überholen und sind kurz vor ihr in den Hafen eingelaufen.

Es war ja, wie gesagt, mittlerweile totale Flaute und so heiß, dass wir beide, sobald die Leinen fest waren, sofort ins Hafenbecken gesprungen sind, um uns abzukühlen.

Danach sind wir dann zum Hafenmeister, um uns anzumelden und er gab uns den Tipp, den Sonnenuntergang am Strand zu genießen. Das haben wir dann auch getan. Ich habe noch ein/zwei Bier eingepackt und wir sind mit unseren Tretrollern zum Strand gefahren und haben der Sonne beim Untergang zugesehen.

30. Juni 2019

Heute wollen wir die Überfahrt nach Visby auf der Insel Gotland machen. Visby stand bei Andi ganz oben auf der Liste, weil es ein sehr geschichtsträchtiger Ort ist. Zu Anfang war es auch wirklich gemütlich. Mal wieder „platt vorm Laken“ ging es aber mit gut 6-6,5 kn vorwärts. Laut Vorhersage sollte der Wind aber gegen Nachmittag rückdrehen auf SW und deutlich zunehmen. Kaum eine Stunde, nachdem wir das Nordkap von Öland hinter uns gelassen hatten, trat das dann auch ein. Plötzlich, innerhalb von fünf Miunten, waren wir nicht mehr Platt vorm Laken unterwegs, sondern hatten Halbwind. Und das nicht zu knapp. Also noch das Vorsegel rausgeholt und ab ging die Lucy. Mit 14-16 kn Wind rauschten wir Visby entgegen. Gemäß der Vorhersage nahm der Wind aber immer weiter zu. 8 sm vor Visby war es dann so viel, dass wir das Vorsegel geborgen haben und nur noch mit dem Groß gesegelt sind. Das aber immer noch mit Rumpfgeschwindigkeit. Die Wellen hatten dann auch mittlerweile 2 Meter Höhe erreicht, so dass wir in den (riesigen Hafen) gesegelt sind und erst, als es ruhiger wurde, das Groß geborgen haben und Fender und Leinen klar gemacht haben.

Wir wollten eigentlich in den Stadthafen. Auf dem Weg dorthin wurden wir allerdings von einem Schlauchboot der Marina abgefangen und am Weiterfahren gehindert. Was wir nun nicht wussten, ist, dass am nächsten Morgen in Visby die „Politische Woche“ beginnt. Da sind wohl alle Politiker aus Schweden und auch diverse Organisationen am Start. Und viele davon sind auch mit Booten/Schiffen dort. Jedenfalls sei der Hafen picke-packe-voll und wir könnten da nicht einlaufen. Allerdings könnten sie uns eine Alternative anbieten und wir sollten ihnen folgen. Sie haben uns dann in einen Privathafen geleitet und uns eine Box zugewiesen. Die beiden Jungs waren sooo nett und freundlich, so sind wir noch nie irgendwo empfangen worden. Da die Box neben uns frei war, ist sogar einer der beiden an Land gegangen und hat unsere Leinen angenommen. Phänomenal!

Nach dem Ritt waren wir ziemlich fertig und sind flux in die Koje. Wir hatten geplant, ein bis zwei Tage in Visby zu bleiben und uns die Stadt und Umgebung anzusehen.

 01.Juli 2019

Wir hatten uns einige Sehenswürdigkeiten auf der Insel rausgesucht, uns ein Auto gemietet und sind losgefahren. Als Erstes auf der Liste stand die Villa Kunterbunt. Denn keine 10 km südlich von Visby sind die „Pippi Langsrtumpf-Filme“ gedreht worden und die Villa und auch die Drehkulissen sind erhalten worden. Was wir allerdings nicht wussten, ist, dass die Villa Kunterbunt mittlerweile in einem Vergnügungspark – ähnlich dem Hansa-Park – liegt und wir 30 EUR Eintritt hätten zahlen müssen. Das war uns dann doch zu viel.

Also weiter zur Steilküste. Die hatten wir schon beim Segeln gesehen. Und das ist wirklich ein Erlebnis. Man kann dort einen Kilometer an der Steilküste wandern und ist permanent von der Schönheit der Natur geflasht.

Eigentlich wollten wir danach noch in ein Vikinger-Museeum besuchen, haben es aber nicht gefunden, weil es das nicht mehr gibt. Schade!

Da wir nun schon mal ein Auto hatten, haben wir gleich noch einen Großeinkauf erledigt, denn es war mal wieder Zeit, unsere Vorräte aufzufüllen.

Danach sind wir noch durch die Stadt geschländert und haben ein tolles Restaurant entdeckt. Das ist in die alte Stadtmauer hineingebaut, heißt  „Wisby Hof“ und der Besitzer ist ein Österreicher. Dort sind wir dann eingekehrt und als Andi das Klo nicht gefunden hat, hat er einfach jemanden angequatscht, und, wie sich herausstellte, war es der Küchenchef. Allerdings kein Österreicher, sondern ein Deutscher. Und von wo? Von Amrum! Das ist ja der Hammer. Sein Name ist Arne und wir haben, obwohl der Laden echt voll war, lange geschnackt. Super netter Typ. Falls Ihr also mal in Visby seid, geht da hin, esst richtig gut, und grüßt Arne von uns.

Auf dem Rückweg zum Boot sind wir dann noch an einer Kneipe vorbei  gekommen, die drei Boule-Bahnen for free hatten. Andi hat früher viel Boule gespielt und mich überredet, eine Runde zu spielen. Ich habe dann an der Bar noch zwei Bier für uns geholt und wir haben bei einem fantastischen Sonnenuntergang Boule gespielt. Blöderweise hat er auch noch gewonnen.

02. Juli 2019

Für heute war nicht so gutes Wetter angesagt. Wechselnd wolkig mit Schauern. Darum hatten wir uns für diesen Tag mal wieder Kultur auf die Fahnen geschrieben. Wir wollten weiter die Stadt erkunden und Andi wollte unbedingt in das Gotland-Museeum. Visby ist eine sehr auch geschichtsträchige Stadt, die zur Zeit der Hanse – 12. – 15. Jahrhundert – nach Lübeck eine der wichtigsten Handelsstädte der damaligen Zeit war. Dummerweise fing es gegen Mittag an, zu regnen und sollte den ganzen Tag auch nicht mehr aufhören. Wir haben dann Nachmittags eine kleine Regenpause genutzt und sind in das ca. 800 Meter entfernte Museum gegangen. War nett, hat aber unsere Erwartungen etwas verfehlt. Abends haben wir dann lecker gekocht und danach noch zwei Folgen von Guido Dwersteg’s 7-teiligem Film „Um den Tiger“ geguckt.

Visdby ist total niedlich und wir können es nur jedem empfehlen, diese Stadt, zu besuchen.

Eigentlich wollten wir am nächsten Tag aufbrechen Richtung  Farösund, unserem Absprunghafen Richtung Estland. Aber nachdem Andi die aktuellen Wetterdaten eingeholt hatte, und das für uns gar nicht gut aussah, haben wir entschieden, noch eine Tag länger in Visby, zu bleiben. Gute Entscheidung…

03. Juli 2019

Heute haben wir dann noch so einige Teile Visby’s erkundet, waren in der größten Kirche des Ortes und haben uns noch einige Teile der alten Stadtmauer und einige Ruinen angesehen. Das Wetter war wieder top. Sonne pur – Gotland wird auch als die Sonneninsel Schweden’s bezeichnet – allerdings mit 19° C deutlich kühler, als die letzten Tage. Es war trotzdem schön, obwohl der Wind – mal wieder  deutlich stärker – war, als angesagt.

Abends haben wir wieder sehr lecker gekocht – Andi war heute Chefkoch  und es gab Kartoffelauflauf – und morgen brechen wir dann endlich wieder auf…