Visby – Kuressaare

Juli 11, 2019 1 Von andi

Eigentlich wollten wir ja schon einen Tag früher nach Farösund – unserem Absprunghafen nach Ruhnu in Estland – segeln. Aber die Wettervorhersage hat uns da einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aufgrund eines Sturmtiefs, dass an unserem geplanten Abreisetag durchziehen würde, hätten wir dann zwei Tage in Farösund verbracht. Und da dort mal so gar nichts los ist, haben wir uns dann noch einen Tag in Visby gegönnt. War auch gut so.

04. Juli 2019

Wir sind morgens bei strahlendem Sonnenschein aufgestanden, haben in Visby ausgecheckt und haben uns auf den Weg nach Farösund gemacht. Entgegen der Vorhersage kam der Wind nicht schwach bis mäßig aus SW, sondern lebhaft aus SSW. Das bedeutete für uns einen Kurs „Platt vorm Laken“, sodass die Genua mal wieder nicht zum Einsatz kam. Machte aber nix, denn wir hatten 20 kn Rückenwind und waren auch so schnell genug. Das war mal wieder schönes Segeln, auch wenn die Temperaturen nicht mehr sommerlich waren. Aber die Sonne schien und bei Platt vorm Laken ist dann ja kaum Wind an Bord, sodass es noch schön warm war.

Ich habe dann im Südwesten erste Schleierwolken entdeckt. Ein untrügliches Anzeichen, dass bald Regen aufkommen würde. Ein Blick auf das Wetterradar hat das dann bestätigt. Es schob sich ein großes Regengebiet auf uns zu, dass zu dem angekündigten Sturmtief gehörte. Ich hoffte nur, dass wir es noch vorher nach Farösund schaffen würden. Irgendwann schoben sich dann diese Wolken vor die Sonne und es wurde merklich kühler. Nach und nach haben wir immer mehr Klamotten angezogen, denn wir hatten den Wind mittlerweile nicht mehr von hinten, sondern Halbwind. Dies bedeutet auch mehr Wind an Bord. Und als wir dann in den Farösund eingebogen sind, mussten wir auch noch hoch an den Wind. Der hatte mittlerweile schon zugelegt, sodass wir viel zu viel Segelfläche oben hatten. Also haben wir das Groß komplett runtergenommen und sind nur mit der Genua gefahren. Aber immer noch fast Rumpfgeschwindigkeit. Jedoch konnten wir ohne Kreuzen direkt auf den Yachthafen Farösund zusteuern. Obwohl Yachthafen etwas übertrieben ist. Es ist nur ein ca. 80 x 50 Meter großes Becken mit einem nicht sehr vertrauenserweckenden Holzsteg. Aber gut, wir waren zumindest vor dem Regen da.

Bei der Anfahrt hatte ich schon ein Boot entdeckt, dem einem Meter oberhalb des Großbaumes der Mast fehlte. Nachdem Birte, trotz heftigem Wind, super angelegt hatte, habe ich mir das Boot mal angesehen. Der Eigner war auch da. Ein Schwede aus Stockholm. Er hat mir dann berichtet, dass er eine Regatta gesegelt ist und der Mast bei 40 kn Wind einfach mal so runtergekommen ist. Warum wusste er nicht. Aber im Verlauf des Gespräches – ich hatte schon kurze Zeit später einen Blumenkohl am Ohr – stellte sich heraus, dass er sein Boot wohl übelst geknüppelt hatte. Tja, sowas kommt von sowas. Er wollte dann nach dem Sturmtief, was am nächsten Tag durchziehen sollte, unter Motor zurück nach Stockholm. Na, dann mal viel Spaß…(90 sm)

Wir haben erst mal unsere Kuchenbude aufgebaut (das ist eine Art Zelt über dem Cockpit und erweitert bei Schlechtwetter den Wohnraum ungemein. Früher fand ich so ein Ding immer spießig. Aber heutzutage – man wird ja nicht jünger – bin ich froh, dass ich mir eine habe anfertigen lassen.) Dann haben wir noch schön gekocht und den Abend bei einem leckeren Glas Rotwein ausklingen lassen.

05.Juli 2019 (Der Tag der Horrornacht)

Morgens war das Wetter noch ganz ok. Zwar wolkig, aber trocken. Allerdings schon sehr pustig. Wir hatten so 25 kn Wind im Hafen und draußen auf dem Sund nahmen die Schaumkronen schon deutlich zu. Das Hauptwindfeld war für ca. 1300 – 1400 angesagt. Und das stimmte dann auch. Wir hatten bis 35 kn Wind im Hafen, wobei das Schlimmste sich nördlich von Gotland abgespielt hat. Dort waren es bis zu 50 kn. Das ist dann Windstärke 10. Ich hatte mich noch mit Sebastian Wache von der Wetterwelt beraten, ob mein Plan, nach dem Sturm Nachts rüber nach Estland zu segeln, gut wäre. Dem hat er zugestimmt, denn am nächsten Morgen wären wir nicht mehr weg gekommen, weil ein Zwischenhoch mit Schwachwind kommen würde, bevor das nächste Tief anrauscht.

Nachmittags fing es dann auch noch an, heftig zu regnen. Also haben wir den ganzen Nachmittag damit verbracht, zu warten, dass Regen und Sturm aufhören. Gegen 1800 war plötzlich ein Silberstreif am Horizont zu sehen. Das Ende der Front war nahe. Also haben wir uns auf eine kalte Nacht vorbereitet und Schicht über Schicht angezogen. (Sommersegeln war nun erst mal vorbei, bei 16 Grad) Dann plötzlich, noch vor Ende des Regens schwächte sich der Wind deutlich ab. Also los jetzt. Wir haben noch im Regen die Kuchenbude abgebaut und haben um 1845 abgelegt. Der Wind war eher schwächlich und ich befürchtete schon, dass wir zu spät los sind. Wir wurden eines besseren belehrt. Zu Anfang war es noch richtig smooth. Keine Wellen, Wind wieder von hinten und wir waren mit nur 5 kn unterwegs. Ich dachte nur: Na, das kann ja was werden. Denn wir hatten eigentlich 133 sm zur Insel Ruhnu mitten in der Bucht von Riga vor uns. Dann fragt mich Birte plötzlich, warum eigentlich Ruhnu? Wir wollten doch auch nach Ventspils in Lettland, weil man von dort aus gut mit dem Bus nach Riga fahren kann, um sich die wunderschöne Stadt anzugucken. Ups, das hatte ich irgendwie überhaupt nicht mehr auf dem Schirm. Aber sie hatte Recht. Also kurzerhand einen neuen Kurs abgesteckt Richtung Ventspils in Lettland. Vorteil war auch, dass es „nur“ 85 sm sind. Es sollten die schlimmsten 85 sm meines Lebens werden. Zu Anfang, als wir noch im Schutz von Gotland waren, war auch alles noch gut. Der Wind war draußen wieder stärker, aber dummerweise waren wir nun wieder Platt vorm Laken unterwegs. Aber doch recht fix unterwegs mit 6,5 kn. Als wir den Sund verlassen hatten, hatten wir aber schon eine recht langgezogene Dünung von vorne. Ok, habe ich gedacht, das sind halt die Wellen, die das Sturmtief aufgebaut hat und die um die Nordspitze Gotlands herumdrehen. Sowas tun die nämlich. Aber das sollte sich später bessern, je weiter wir uns von Gotland entfernen. Kam auch so, nur war es nicht besser. Denn was nun passierte, war folgendes: Die Dünung lief aus Norden heran. Und entgegen meiner ersten Einschätzung, dass wir zu spät los sind, hatten wir mittlerweile gute 20 kn Westwind von hinten. Dadurch baute sich langsam aber sicher eine immer höher werdende Windwelle von Westen auf. Also 90° quer zur Dünungswelle. Das wurde dann immer unlustiger, denn zwei Wellensysteme, die quer zu einander laufen – das nennt man auch Kreuzsee – machen keinen Spaß. Als wir ca. 20 sm westlich von Gotland waren – hier ist das folgende Video entstanden – war Birte am Ruder und schon mächtig am Arbeiten.

Denn die Dünung aus Norden mit ca. drei Meter Wellenhöhe wurde mittlerweile von 1,5 Metern Windwelle durchkreuzt. Und das Problem beim „Platt vorm Laken Segeln“ ist, dass sich das Boot nicht mehr durch den Winddruck auf eine Seite legt und nur noch die Auf- und Abbewegung macht, sondern wie ein Motorboot hin- und herschaukelt. Es ging also permanent hin und her und Birte musste das alles aussteuern, um eine Patenthalse zu vermeiden. Hat leider nicht immer gklappt. Wenn plötzlich der Baum mit Schwung auf die andere Seite schlägt und dann mit einem Knall von der Großschot aufgehalten wird, geht mir das immer durch Mark und Bein. Es ist schon erstaunlich, was das Material alles aushält. Diese Patenthalsen sind übrigens die häufigste Todesursache bei Seglern. Entweder sind sie sofort tot, weil der Baum sie am Kopf getroffen hat, oder sie gehen bewusstlos über Bord und ertrinken. Man kann Patenthalsen zwar verhindern, wenn man nicht Platt vorm Laken segelt, sondern vor dem Wind „kreuzt“. Allerdings wird der Weg zum Ziel dadurch natürlich weiter. Und es war eh schon weit genug. Hinzu kam nun noch, dass wir das Tief, was sich sehr langsam Richtung Osten bewegte, fast eingeholt hatten. Wir holten immer mehr die Regenfront ein. Wollten da aber nicht auch noch reinfahren und haben kurzerhand den Kurs nach Süden geändert, um dem auszuweichen. Gegen 2400 habe ich Birte dann am Ruder abgelöst und bin wieder auf Kurs Ventspils gegangen. Danach wurde Birte immer ruhiger und lethargischer. Kein gutes Zeichen. Es dauerte auch nicht mehr lange, dann hing sie über der Reling und hat sich das Abendessen noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Verdammt, normalerweise ist sie wirklich hart im Nehmen. Aber das war selbst für sie zu viel.

Tja, und dann war ich ab 0100 auf mich alleine gestellt. Und es wurde immer schlimmer. Die Wellen wurden noch höher und es war immer schwieriger, dass auszusteuern. Frau Hansen war blöderweise damit auch überfordert. Mittlerweile war überhaupt keine Wellenstruktur mehr zu erkennen. Dünung und Windwellen liefen durcheinander, bauten sich hin und wieder gegenseitig auf und türmten sich zu Wasserbergen. Es war eine einzige wabernde Masse aus Wasser. Ich wollte nur noch, dass es zu Ende ist und habe alles gegeben, um den direkten Kurs zu fahren. Aber nach vier Stunden permanenten Steuerns und Bootsbewegungen von 40° backbord und 40° steuerbord konnte ich auch langsam nicht mehr. Mir taten die Schultern weh und durch das permanente Ausgleichen der Bootsbewegung war ich einfach groggy. Ich habe dann den Kurs so geändert, dass Frau Hansen mit den Bedingungen klar kommt und habe Birte, die immer noch regungslos unter der Sprayhood kauerte, gesagt, dass sie sich keine Sorgen machen braucht, Frau Hansen gerade mit den Bedingungen klar kommt, und ich mich mal für 10 Minuten auf die Salonbank lege. Aus 10 Minuten wurden 30, aber mir war es egal. Das brauchte ich einfach. Und das wir nun etwas später in Ventspils ankommen, habe ich in Kauf genommen. Danach ging es auch wieder einigermaßen und ich ging wieder auf direkten Kurs Ventspils. Gegen 0600 erwachte Birte dann kurz zum Leben und fragte, wie weit es noch sei. Da waren es noch 17 sm. Also ca. 2,5 Stunden. Danach viel sie wieder in die Lethargie. Sie tat mir so leid. Aber ich konnte nichts tun. Außer, so schnell wie möglich nach Ventspils zu segeln. Eine Stunde, bevor wir den Hafen erreichten, habe ich mich dann per Funk bei Ventspils Traffic angemeldet. Das hatten wir im Hafenführer gelesen, dass man das machen soll. Ich bekam per Funk die Erlaubnis, in den Hafen einzulaufen und nach exakt 13 Stunden war es dann soweit. Wir hatten den Hafen von Ventspils erreicht. Und das war erstmal ein Schock. Es ist ein riesiger Industriehafen und der bis dato hässlichste, den ich je angelaufen bin. Irgendwo in der hintersten Ecke des Fischereihafens ist eine Pier gebaut worden, an der ca. 12 Boote Platz finden. Aber der Vorteil des Anmeldens war, dass der Hafenmeister schon armewinkend uns in Empfang genommen und einen Liegeplatz zugewiesen hat. Er hat uns dann auch die Leine angenommen. Sehr nett. Dann hat uns noch erklärt, wo sein Büro sei, in dem wir einklarieren können und ich habe ihm gesagt, dass wir im Laufe des Tages vorbei kommen würden, weil wir erst einmal ein paar Stunden schlafen müssen. Kein Problem, meinte er, er sei noch lange da.

06. Juli 2019

Und zack, waren wir in Lettland. Die Sonne strahlte von einem wolkenlosen Himmel herab und wir haben uns erst mal die Klamotten vom Leib gerissen. Denn entgegen unserer Vermutung, dass die Nacht arschkalt werden würde, war sie es gar nicht. Gott sei Dank…

Tja, und nun zu dem alten Thema: Das Anlegebier getrunken und ein paar Stunden geschlafen, und alles war vergessen…

Neben uns lag ein deutscher Einhandsegler, der seit einer Woche rüber nach Gotland wollte. Aber er sei schon eine Woche in Ventspils eingeweht. Wir haben ihn gefragt, was man eine Woche in diesem Kaff machen soll? Aber er meinte, dass Ventspils eine wirklich schöne Stadt und nur der Hafen so hässlich sei. Aber die Stadt und der naheliegende Strand wirklich schön ist.

An dem Tag haben wir nicht mehr wirklich viel gemacht. Wir waren doch beide noch groggy von der letzten Nacht und haben in der darauffolgenden 12 Stunden geschlafen. Aber dann war wirklich wieder alles gut!

07.Juli 2019

Als wir am nächsten Morgen aufgestanden sind (so gegen 1100) und im Cockpit beim Kaffee saßen, sahen wir ein Boot nach dem anderen in den Hafen laufen. Und zwar alles Deutsche. Bis dato waren die Begegnungen mit Deutschen und auch Dänen immer spärlicher geworden. Dafür umso mehr Schweden und Finnen. Aber an diesem Tag wurde Ventspils zur deutschen Kolonie.

Ventspils sind wir eigentlich nur angelaufen, um von dort nach Riga zu fahren. Das hätte bedeutet, dass wir insgesamt 6 Stunden im Bus gesessen hätten. Wir waren beide noch gerädert von der Nachtfahrt und waren uns ziemlich schnell einig, dass wir nur für eine schöne alte Stadt dies nicht in Kauf nehmen, sondern uns einen gemütlichen Tag gönnen. Dafür haben wir Abends lecker im Hafen gegessen. Es war eine Art Imbiss, allerdings sehr lecker, gut und mit Blick auf Charisma.

Wir haben dann auch einen sehr netten Abend bei Gregor und Iris an Bord ihrer nagelneuen Hallberg Rassy 340 verbracht. Wir haben auch unser Leid geklagt, dass wir nicht wüssten, wie wir weiter kommen sollen. Denn für die nächsten 6-8 Tage sei Nordwind angesagt und wir wollen ja nach Norden. Zumal das nächste Ziel Ruhnu rund 80 sm entfernt ist und Kuressaare mit 70 sm auch nicht viel dichter ist. Und alles dazwischen – z. B. Münto – wollten wir nicht anfahren. Denn laut Hafenführer von 2017 sei dort nur eine 2,5 Meter hohe Betonmole, wo man an Autoreifen festmacht und mit einer Strickleiter die Mole erklimmen muss. Aber diese Version ist veraltet. Denn es wurde ein komplett neuer Hafen gebaut, sogar mit Sauna. Gregor und Iris kamen nämlich direkt von dort nach Ventspils. Wow, perfekt. Nur 41 sm gegenan. Das geht ja…

08 Juli 2019

Also sind wir heute gegen Mittag aufgebrochen nach Münto in Estland. Entgegen der Vorhersage kam der Wind aber nicht aus N – wir mussten nach NNO – sondern aus NW. So konnten wir nach einem ca. 2 sm Schlag weg von der Küste einen Anlieger Richtung Münto fahren. Das allerdings hoch am Wind und bei später so viel Wind, dass wir reffen mussten. War auch wieder kein Vergnügen, gegen Wind und Wellen anzubolzen. Aber nach gut 7 Stunden hatten wir die 41 sm dann auch geschafft und sind in den winzigen Hafen von Münto eingelaufen. Außer uns lag nur noch eine schwedische Yacht im Hafen. Irgendwie urig. Wir haben dann fest gemacht und erst mal die neue Anlage inspiziert. Perfekt! Duschen und Klo’s niegelnagelneu. Und das Beste ist die Sauna, die zwischen der Frauendusche und der Männerdusche platziert ist. Und die war auch sogar an. Also schnell was gegessen und ab in die Sauna. Und das mit Blick über den Hafen und auf Charisma.

09. Juli 2019

Der Skipper der schwedischen Yacht hatte mich gestern noch angesprochen, wo wir herkämen und wo wir hinwollen. Ich hatte ihm gesagt, dass wir aus Lettland kommen und morgen weiter nach Kuressaare wollen. Genau da wollten sie auch hin. Der Kurs ist allerdings NNO und der Wind sollte am nächsten Tag aus N kommen. Also wieder nicht gut für uns. Wir haben dann – wie so oft – erst mal lange geschlafen. Als ich mit dem ersten Kaffee im Cockpit saß, sah ich die Schweden auslaufen. Ein Blick auf den Windmesser sagte mir dann, dass der Wind im Moment doch sehr günstig für uns wäre, um nach Kuressaare zu segeln. Also haben wir schnell seeklar gemacht, noch Brötchen in den Ofen geschoben, um später zu frühstücken, und sind zum 17 sm Schlag ausgelaufen. Es war nach den letzten Schlägen zunächst traumhaftes Segeln. Kein Gegenangebolze, kein Platt vorm Laken, keine Welle. Mit knapp Halbwind sind wir durch das glatte Wasser mit 6 – 7 kn voran gekommen. Und die Sonne schien zunächst auch noch. Es war einfach perfekt. Ich hatte allerdings in der Vorhersage gesehen, dass der Wind Nachmittags Richtung N drehen und deutlich zunehmen sollte. So bummelig 8 sm vor unserem Ziel wurde der Wind dann schwächer und schwächer. Wir waren nur noch mit 2,5 kn unterwegs, als er plötzlich komplett einschlief. Allerdings war da schon im Norden dunkles Wasser zu erkennen. Wind also. Der Wind kam dann auch. Und zwar, wie angekündigt, aus N. Genau da, wo wir ab dem Zeitpunkt hinmussten. Und innerhalb von fünf Minuten, hatten wir 20 kn Wind gegenan. Also wieder 6,5 sm gegenanbolzen. Aber egal, das kennen wir ja schon. 1,5 Stunden später hatten wir die Ansteuerungstonne von Kuressaare erreicht, die Segel geborgen und sind mit Motor in das ellenlange Fahrwasser nach Kuressaare eingefahren. Das Fahrwasser ist zwar ellenlang aber sehr idyllisch, da sich rechts und links kleine Inseln mit Gräsern aus dem Meer erheben, mit zahlreichen Vögeln.

Als wir in den Hafen kamen, stand der Hafenmeister schon am Steg und hat uns wild armewinkend einen Platz zugewiesen. Und zwar genau neben den Schweden, die wir in Münto getroffen hatten. Da war natürlich erst mal Fachsimpeln angesagt. Die Stunde, die sie vor uns ausgelaufen sind, hat sie vor dem Winddreher bewahrt und sie sind sauber, ohne Kreuzen in den Hafen eingelaufen.

Der Hafenmeister war auch wieder super nett und herzlich. Hat uns die Leinen angenommen und, als wir uns in seinem Büro angemeldet hatten, erst mal alles erklärt und gezeigt. Eine kleine Hafenführung quasi. Jede Menge Info-Material über die Stadt und die Insel hat er uns auch noch in die Hand gedrückt. Sowas kenne ich aus Deutschland oder Dänemark nicht.

Na ja, der Rest des Abends war dann noch kochen, essen und ab in die Koje. Wir hatten auf jeden Fall einen Hafentag in Kuressaare eingeplant.

10. Juli 2019

Nach langem Schlafen haben wir uns dann beim Hafenmeister Fahrräder geliehen, um die Umgebung zu erkunden. Direkt neben dem Hafen befindet sich eine Burg aus dem 14. Jahrhundert. Es ist die am besten erhaltene Burg im gesamten Baltikum. Und zack, schon wieder in Kultur! War aber auch wieder sehr schön und interessant. In der Burg ist zurzeit auch eine Ausstellung zum Thema der Invasion der Roten Armee im zweiten Weltkrieg – genauer gesagt 1941 – aufgebaut. Schon interessant. Und ganz oben im Turm ist mittlerweile ein Café mit einer fantastischen Aussicht rund um die Gegend eingerichtet worden.

Ich muss jetzt gerade mal vom Thema abweichen. Aus gegeben Anlass. Denn ich sitze hier und schreibe diesen Bericht und im Hintergrund läuft das Radio. Wir haben uns in letzter Zeit des Öfteren gefragt, woran wir eigentlich mal merken, dass wir weit weg von zu Hause sind? Die Landschaft ist es nicht. Denn die hat sich bisher zu unserem zu Hause nicht viel verändert. Wir sind halt noch nicht in den Schären angekommen. Das Radioprogramm ist es auch nicht. Denn das ist eher noch schlimmer, als bei uns zu Hause. Egal, welches Land, egal, welcher Radiosender, es ist immer die gleiche Mucke. Die Top 10 der aktuellen Charthits rauf und runter, gefühlt in einer Endlosschleife. Würg!!! Woran wir aber merken, dass wir immer weiter von zu Hause weg sind, ist, dass wir immer weniger Deutsche und Dänen treffen, dafür aber umso mehr Schweden und vor allem Finnen.

Kuressaare ist wirklich eine Reise wert, eine sehr harmonisch angelegte und gepflegte Stadt, die man mal gesehen haben sollte!

Es muss auch nicht mit dem Boot sein, direkt neben dem Hafen ist ein Stellplatz für Wohnmobile und es gibt zwei Hotels.

So, wir lassen jetzt den Abend, der wettermäßig noch recht schön geworden ist, ausklingen und machen uns morgen weiter auf den Weg Richtung Norden…