Mariehamn – Mem
06. August 2019
Heute wollten wir die Alands verlassen und an die Ostküste Schweden’s segeln. Vor drei Tagen war uns dafür schöner SE-Wind versprochen worden. Gestern dann allerdings eher S und auch schwächer. Aber noch stark genug um die 42 sm nach Norrtälje zu schaffen. Und von der Richtung könnte es fast noch passen. Unser Kurs war WSW. Als ich morgens aufgestanden bin, war zunächst gar kein Wind. Aber nach dem zweiten Kaffee fing es so leicht an, zu pusten. Und sogar mit einem leichten Ostanteil, so bummelig aus 170° und 6-8 kn. Das ist gut, dachte ich und habe Birte sofort aus den Federn geholt. 20 Minuten später haben wir abgelegt. Frühstücken können wir auch unterwegs. Aus der Bucht von Mariehamn mussten wir noch motoren (2 sm), aber als wir in freies Wasser kamen und Kurs anlegen konnten, haben wir Segel gesetzt und siehe da, es passte so gerade eben. Hoch am Wind waren wir mit 6 kn unterwegs. Die Sonne schien und es war warm. Also alles gut. Nach 30 Minuten allerdings fing der Wind an zu drehen. Allerdings in die falsche Richtung. Nämlich Richtung SW. Verdammt! Und er wurde dazu auch noch schwächer. Mist! Ich musste Stück für Stück weiter abfallen, so dass wir irgendwann nur noch mit 3 kn Kurs W unterwegs waren. Als der Wind dann sogar noch weiter drehte, sind wir über Stag gegangen. Aber er wurde immer schwächer. Wir haben dann hin- und her überlegt, was wir nun machen sollen. Zurück nach Jömala, der Insel, auf der Mariehamn liegt? Auch blöd. Denn für die nächsten Tage war so gut wie kein Wind mehr angesagt. Und wenn überhaupt, wieder aus SW. Also haben wir in den sauren Apfel gebissen und den Motor angeschmissen. Viel mussten wir bisher nicht mit Maschine fahren, aber manchmal kommt man nicht drum herum. Der Wind ist dann auch total eingeschlafen und die Ostsee glich einem Ententeich. Frau Hansen ist gefahren und wir hingen mal wieder unseren Gedanken nach oder haben abgewaschen oder gelesen oder… So zwei Stunden später – ich war gerade eine Zeitlang unter Deck und habe am Laptop gearbeitet, ging der Motor in Leerlaufdrehzahl. Ups, was ist nun los. Ich steckte den Kopf aus dem Niedergang und fragte Birte, was passiert sei? Wind. Der Wind ist wieder da. Stimmt! Yeeha, sofort die Segel hoch und Motor aus. Perfekte Bedingungen und perfekte Richtung. Wir konnten Kurs anlegen und mit 6 kn segeln. Zu verdanken hatten wir den allerdings einer großen Gewitterzelle, die sich nördlich von uns über dem Festland gebildet hatte. Und die hat mal wieder schön gesaugt. Wir fuhren direkt auf den Stockholmer Schärengarten zu. Das ist schon irgendwie lustig. Von Weitem sieht es nämlich immer so aus, als ob man irgendwann vierkant auf Land knacken würde. Aber das täuscht natürlich. Da ist dann eine Einfahrt, aber eine Insel dahinter lässt es so aussehen, als ob es ein durchgezogener Landstrich wäre. Als wir den Schärengarten einfuhren hatten wir natürlich wieder mit drehendem und schwächerem Wind zu tun. Aber wir fuhren noch. Unser Ziel, Norrtälje, liegt 14 sm im Landesinneren. Der Sund dorthin ist auch wieder wunderschön, wird aber mit der Zeit immer schmaler und die Wälder höher. 6 sm vor Norrtälje war dann auch Ende mit Segeln. Kein Wind mehr. Nun gut, muss halt noch mal die Maschine ran. Aber trotzdem war es ein schöner Tag und wir konnten noch 2/3 der Strecke segeln.
Das erste, was wir von Norrtälje sahen, war ein Hochhaus und eine große Baustelle im Hafen. Toll, schon wieder eine Baustelle. Aber wenigstens keine Spundwände. Der Gasthafen war auch wieder ziemlich verwaist. Nur ein paar Boote lagen dort und wir fanden es auch nicht sonderlich hübsch. Da es schon recht spät war, haben wir nur noch gekocht und ab in die Koje. Norrtälje hatten wir uns übrigens als Ziel ausgesucht, weil es in der 20.000- Einwohnerstadt einen Supermarkt gibt und wir mal wieder Großeinkauf machen mussten. Besonders unsere in Tallin erworbenen Anlegebiervorräte gingen zur Neige.
07. August 2019
Es war ein recht schöner und warmer Morgen und nach dem Frühstück haben wir uns mit unseren Rollern zunächst zum Supermarkt aufgemacht. Dummerweise hatte ich die Kamera nicht mitgenommen. Denn allem Anschein zum Trotz ist Norrtälje eine wirklich niedliche Stadt. Warum die Stadtverwaltung dieses Antlitz mit einem so hässlichen Hochhaus verschandelt hat, ist uns ein Rätsel. War bestimmt wieder Geld im Spiel.
Danach sind wir zum Alko-Store, um unsere Biervorräte wieder aufzustocken. Der Transport gestaltete sich allerdings etwas schwierig. Da man dort keine eingeschweißten Palletten bekommt und wir die Roller als Transportmittel benutzen wollten (Palletten auf den Roller und schieben) war es mit offenen Palletten gar nicht so einfach. Schon im Laden ist Birte eine vom Roller gerutscht und die Dosen rollten durch die Gegend. Alles wieder eingesammelt, aufgeladen und dann sind wir gebückt – weil eine Hand auf den Palletten – durch die Straßen geeiert. 800 Meter bis zum Hafen. Wir waren der Hingucker bei den Einheimischen und Touristen. Egal, nützt ja nix. Schweißgebadet kamen wir beim Boot an und wären am liebsten sofort in’s Wasser gesprungen. Aber das war dort auch nicht schön. Alles voller Wasserpflanzen. Also haben wir uns an Deck gesetzt und uns von dem leichten W-Wind kühlen lassen. Allerdings nur mit mäßigem Erfolg. Nachdem wir unsere Einkäufe verstaut hatten, bin ich zum Duschen gegangen. Kalt, wohl gemerkt. Aber eine Wohltat. Danach fühlte ich mich, wie neu geboren. Als ich zurück zum Boot kam, ist Birte dann duschen gegangen. Und ich habe ein wenig an Bord relaxed.
Da wir heute keine Eile hatten, hat Birte sich ausgiebig Zeit gelassen für die Körperpflege. In der Zwischenzeit legte neben uns ein deutsches Boot aus Bremen an und, nachdem ich deren Leinen angenommen hatte, haben wir noch eine gute halbe Stunde geschnackt, bis Birte wieder kam.
Gegen 1600 haben wir dann abgelegt. Heute sollte es endlich eine Premiere geben. Mit Heckanker an einer Schäre festmachen. Gestern auf dem Weg nach Norrtälje hatten wir nämlich einen kleinen Sund gesehen, der sich ca. 3 sm Richtung S erstreckt. Und das gar nicht weit von Norrtälje. Und den wollten wir uns mal angucken. Mit dem leichten W-Wind sind wir 2 Stunden platt vorm Laken gesegelt und dann in den Sund eingebogen. Segeln war dann zwar nicht mehr möglich, denn der Sund ist schmal und die Bäume hoch, aber egal. Segel runter, Motor an und rein da. Wieder ein idyllischer Fleck Erde. Schöne Häuser in traumhafter Landschaft, alle mit Steg oder Badeterrasse.
Wir sind den kompletten Sund abgefahren, um ein schönes einsames Plätzchen zu finden. Aber das war gar nicht einfach. Denn überall stehen dort Häuser. Letztendlich haben wir dann aber doch einen geeigneten Platz gefunden. Und dann haben wir uns erst mal ganz langsam vorgetastet. Birte stand vorne am Bug und hat auf die Wassertiefe geachtet. Dann kam von ihr das Stoppsignal. Zu flach. Also wieder zurück und ein paar Meter weiter noch einmal versuchen. Hier sah es gut aus. Wir hatten noch 15 cm Wasser unter dem Bug, während das Lot, dessen Geber zwei Meter hinter dem Bug verbaut ist, schon 4,5 Meter Tiefe anzeigte. Gut, hier gehen wir ran. Ca. zwei Bootslängen zurückgefahren und dort fiel der Heckanker. Dann wieder langsam vorwärts, bis Birte an Land springen und zwei Leinen an Bäumen fest machen konnte. Ankerleine dichtgeholt und fertig. Hier im Video könnt ihr das ganze Anlegemanöver sehen. Da es allerdings in natura 15 Minuten gedauert hat, und sich das sicherlich niemand komplett angucken möchte, habe ich es ein wenig beschleunigt.
Ich habe Chili gekocht und nach dem Abendessen sind wir an Land, haben trockenes Holz gesammelt und ein Lagerfeuer angezündet. Genau so hatte ich es mir vorgestellt. Wir haben lange am Feuer gesessen und diese wunderbare Atmosphäre genossen.
08. August 2019
Nach einer ruhigen Nacht, nur kurz durch ein kleines Gewitter unterbrochen, sind wir aufgestanden und haben ein wenig sorgenvoll gen Himmel geblickt. Denn schon am Vormittag quollen die ersten Wolkentürme in die Höhe. Es war aber absolut windstill. Kurz nachdem wir Anker auf gegangen sind, fing es auch schon an, zu regnen. Unser heutiges Ziel war Furusund, ein kleiner Hafen im Fahrwasser nach Stockholm. Je weiter wir Richtung Meer motort sind, um so besser wurde das Wetter. Der Regen hörte auf und dann kam sogar Wind auf. Zunächst noch von vorne, aber immerhin. Wir mussten ein paar Meilen aufkreuzen, aber dann konnten wir in das Fahrwasser eindrehen und wunderbar bis nach Furusund segeln. Ein kleiner, niedlicher Hafen zwischen zwei Inseln. Durch diese Enge fahren alle Fähren und Kreuzfahrtschiffe. Allerdings müssen sie dort gaaaanz langsam fahren, so dass kein Schwell entsteht. Einen Schock habe ich allerdings beim einchecken bekommen. Die Hafenmeisterin wollte von uns 42,- EUR für eine Nacht haben. Unverschämt! Kurze Zeit später machte neben uns ein deutscher Einhandsegler mit seiner Ohlsen 8.8 „Liv“ fest. Die Liv hatten wir schon ein paarmal gesehen. U.a. in Lohusalu und in Hanko, sind aber nie in’s Gespräch gekommen. Da war er auch noch zu zweit unterwegs. Mittlerweile jedoch alleine. Nun kamen wir in’s Gespräch und haben Gundolf später noch zum Essen eingeladen. War ein sehr netter Abend.
09. August 2019
Ab jetzt wird es unschön. Zumindest aus seglerischer Sicht. Aber der Reihe nach:
Heute wollten wir die 36 sm bis nach Stockholm segeln. Versprochen war uns Nordwind. Zwar nicht besonders stark, aber immerhin. Ich hatte uns schon den Gennacker setzen sehen, doch es kam mal wieder anders. Kurz vorm Ablegen fing es an, zu grummeln und es kam eine schwarze Wand auf uns zu. Wir warten lieber mal ab. War auch gut so, denn 10 Minuten später entlud sich ein Gewitter über uns. Danach haben wir abgelegt. Blöderweise hatte der Wind, der vorher noch da war, sich schlafen gelegt. Also erst mal wieder mit Motor und hoffen, dass der Wind wiederkommt. Das tat er sogar nach einer halben Stunde auch. Allerdings auch nur FÜR eine halbe Stunde. Dann war er wieder weg. Also sind wir fast die ganze Strecke nach Stockholm mit Maschine gefahren. Normalerweise hätten wir das nicht gemacht. Aber erstens wollten wir nicht noch eine Nacht in dem völlig überteuerten Hafen bleiben und zweitens waren wir für Abends in Stockholm verabredet. Und zwar mit Azra. Azra ist Ende der 80er als Mädchen mit ihrer Familie vor dem Jugoslawien-Krieg nach Deutschland geflohen. Und Birtes Eltern hatten sie damals aufgenommen. Daraus ist eine bis heute bestehende Freundschaft entstanden. Nachdem sie zwischenzeitlich zurück nach Bosnien gegangen war, lebt Azra heute mit ihrem Mann Ibrahim (genannt: Ibä) und ihren sechs Kindern in der Nähe von Stockholm. Und sie hat uns zum Essen eingeladen.
Die einzige Entschädigung für die nervige Motorfahrt war die Landschaft. Der Schärengarten nördlich von Stockholm ist so ziemlich das Schönste, was wir bisher gesehen hatten. Man kommt aus dem Staunen kaum heraus.
Gegen 1700 sind wir dann in den Wasa-Hafen mitten in Stockholm eingelaufen. Der Vorteil, dass man zentral in Stockholm liegt und somit viele Sehenswürdigkeiten fußläufig erreichen kann, wird allerdings dadurch ein wenig getrübt, dass der Hafen sehr unruhig ist. Es sind Schwimmstege und die ganzen Ausflugsdampfer, die im Minutentakt vorbeifahren, verursachen so viel Schwell, dass das Boot permanent in die Leinen ruckt. Zumindest am Außensteg, an dem wir lagen. Weiter drinnen hatten wir keinen Platz bekommen. Denn im Gegensatz zu den vorherigen, teils schon verwaisten Häfen, war dieser ziemlich voll. Und auch diverse deutsche Segler waren hier.
Eine Stunde später war dann auch schon Azra da, um uns abzuholen. Bei der Fahrt mit dem Auto durch Stockholm haben wir uns dann schon von der Schönheit aber auch Quirligkeit dieser Stadt überzeugen können. Bei Azra zu Hause angekommen wurde uns erst mal die gesamte Familie vorgestellt und danach gab es leckere Wraps und wir haben einen sehr netten und kurzweiligen Abend verbracht. Und wir wurden auch gleich mal zum Übernachten eingeladen. Dafür bekamen wir das Zimmer der beiden großen Mädels. Wahnsinn, diese Gastfreundschaft. Ibä besitzt zwei Geschäfte für Bettmatratzen. Dementsprechend bequem war dann auch das Bett. Und Grooooß! Es war nach 8 Wochen enger Vorschiffskammer mit einfachen Schaumstoffmatratzen eine Wohltat. @Azra und Ibä: Nochmals vielen Dank für alles!!!
10 August 2019
Gott sei Dank schlafen Azra und ihre Familie morgens auch lange. Denn wir haben uns in diesem Bett so wohlgefühlt, dass wir da gar nicht mehr raus wollten. Nach einem leckeren Frühstück haben uns Azra und Ibä angeboten, uns in die Stadt zu fahren und uns gefragt, was wir sehen möchten. Ins ABBA-Museum wollten wir gerne. Das ist auch gleich neben unserem Hafen. Pünktlich nach dem Parken fing es leider an, zu regnen. Und als wir beim Museum angekommen waren, wollten anscheinend viele Menschen dem Regen entfliehen und auch da rein. Es war eine riesen Schlange vor der Kasse und wir hatten keine Lust, uns dort anzustellen. Also haben wir uns in ein Café gesetzt und etwas getrunken. Als der Regen aufhörte, war auch keine Schlange mehr an der Kasse. Nun konnten wir doch noch hinein. Azra, Ibä und die beiden kleinsten, Christian und Angie, wollten allerdings nicht mit und sind spazieren gegangen, während wir im Museum waren. Toll gemacht. Die gesamte Geschichte der legendären Band ist dort zu sehen. Mit Audiounterstützung sogar auf Deutsch.
Nach 1,5 Stunden waren wir wieder draußen, haben Azra angerufen und kurze Zeit später haben wir uns wieder getroffen. Natürlich fing es genau in diesem Moment wieder an, zu regnen, so dass wir beschlossen haben, keine weiteren Unternehmungen zu starten. Stattdessen wurden wir wieder zum Essen eingeladen, sind nach Hause gefahren und Ibä hat leckere Burger gebraten. Wir wurden sogar wieder zum Übernachten eingeladen, haben aber abgelehnt, weil wir am nächsten Tag weiter wollten. Denn für den nächsten Tag war wieder Regen angesagt. Nun hatte uns der Wettergott doch noch verlassen. Und im Regen segeln ist besser, als im Regen durch eine Stadt zu laufen. Also haben die beiden uns abends wieder zum Hafen gebracht und wir sind todmüde in die Koje gefallen.
11. August 2019
Warum wir gestern so elendig müde waren, wussten wir beide nicht. Allerdings hatte das zur Folge, dass wir komplett verschlafen haben. Erst um 1130 sind wir aus der Koje gekrochen und der Regen prasselte auf unsere Kuchenbude. Wir sind irgendwie überhaupt nicht aus dem Quark gekommen und haben dann spontan entschieden, doch erst am nächsten Tag loszufahren. Als nachmittags der Regen aufhörte sind wir ganz spontan auf einen historischen Eisbrecher gegangen, der neben dem Hafen – mit einigen anderen Schiffen – als Museumsschiff liegt. War auch sehr interessant und vor Allem kostenlos.
Neben uns lag Martin mit seiner Feeling 346, mit dem ich noch in’s Gespräch kam. Er erzählte mir, dass sie am nächsten Tag durch den Södertälje-Kanal fahren wollen. Da wir genau das auch vorhatten, haben wir uns für den nächsten Tag verabredet, zusammen zu fahren.
12. August 2019
Um 1000 war ablegen angesagt und eine viertel Stunde später sind wir in die Schleuse eingefahren, die die Ostsee vom Mälaren trennt. Der Mälaren ist ein großes Seengebiet westlich von Stockholm. Das war natürlich auch wieder zunächst mit Motor. Aber später, als es etwas mehr Platz gab, konnten wir sogar noch ein Stück segeln. Leider braute sich am Himmel schon wieder einiges zusammen und innerhalb kürzester Zeit hatten wir mal wieder Gewitter. Kurz danach mussten wir nach SSW Richtung Södertälje abbiegen. Und bei Windrichtung SSW – der übrigens für den gesamten Vorhersagezeitraum bleiben sollte – mussten wir wieder den Jockel anschmeißen.
In Södertälje gibt es eine Brücke und die zweite Schleuse. Die Brücke hat eine Durchfahrtshöhe von 15 Metern. Das ist mit unseren 17,5 Metern Höhe ohne Mastverlust leider nicht machbar. Als wir auf Södertälje zufuhren, war die Brücke gerade geöffnet. Fünf Minuten, bevor wir da waren, allerdings schon wieder geschlossen. Martin und noch ein holländisches Boot waren hinter uns. Wir drehten so unsere Kreise vor der Brücke und hofften, dass sie für drei Boote wieder aufgemacht wird. Tja, Pustekuchen. Die Holländer machten am Wartesteg fest, während Martin einfach weiterfuhr. Der passt da nämlich auch so durch. Es war gerade 1500 und die Holländerin rief uns dann zu, dass sie mit dem Brückenwärter gesprochen hätte und, dass die Brücke erst wieder um 1800 geöffnet werden würde. Na toll! Also haben wir auch am Wartesteg festgemacht, Birte hat einen Supermarkt gesucht und Bratwurst gekauft und ich habe ein kleines Nickerchen auf der Salonbank gemacht. Um 1730 gab es dann Kartoffelsalat mit Bratwurst und pünktlich um 1800 ging die Brücke auf. Nun aber, dachten wir, Hebel auf den Tisch und weiter nach Skanshalmen, 10 sm südlich von Södertälje. Aber denkste, da kommt ja noch die Schleuse. Zwei Minuten später drehten der Holländer und wir unsere Kreise vor der Schleuse und warteten auf die Öffnung um 1815. Auf der anderen Seite lag jedoch ein Frachter und der wurde zuerst geschleust. Als der endlich durch war, ertönte hinter uns das Ankündigungssignal für die Brückenöffnung. Na toll, dachten wir, für den Frachter machen sie sofort die Brücke auf und wir mussten drei Stunden warten. Als wir in der Schleuse fest waren passierte zunächst erst mal gar nichts. Nach 10 Minuten kam der Schleusenwärter und kassierte von uns 200,- kr Schleusengeld. Danach ging er zu dem Holländer und dann gab es eine lautstarke Diskussion. Der Holländer hat sich derart darüber aufgeregt, dass wir drei Stunden vor der Brücke warten mussten und für den Frachter sofort aufgemacht wird, dass er das Schleusengeld nicht bezahlen wollte. Als ob der Schleusenwärter irgendwas dafür könnte. So langsam waren wir dann doch mal genervt. Der Holländer kam natürlich nicht um’s Bezahlen drum herum. Aber es hat wieder Zeit gekostet, so dass wir erst um 1900 die Schleuse verlassen haben. Jetzt hatten wir aber keine Lust mehr, noch weiterzufahren und haben neben Martin im Hafen von Södertälje festgemacht. Schön ist es da jedoch nicht. Allerdings gibt es dort eine Dieseltankstelle und wir wollten am nächsten Tag noch tanken.
13. August 2019
Als wir aufgestanden sind, war Martin schon weg. Es war auch schon wieder spät. Wir haben noch geduscht und haben gegen 1130 abgelegt und an der Tankstelle wieder festgemacht. Es war eine hier übliche Automatik-Tankstelle. Man steckt die Kreditkarte rein, wählt die Zapfsäule aus und dann kann man tanken. Bei uns kam allerdings nur Dampf aus der Pistole. Hat aber munter Liter gezählt. Was ist das denn schon wieder für ein Mist? Birte ist zu dem Café direkt neben der Tankstelle gegangen um dort Bescheid zu sagen, dass hier was nicht stimmt. Es hat dann noch 15 Minuten gedauert, bis sich der Zuständige sich mal bequemte, zu uns zu kommen. Hat da ein bisschen rungefummelt und meinte dann:“Alle!“ Super, wo ist die nächste Tankstelle? Skanshalmen, 10 sm weiter. Ok, das schaffen wir noch locker.
Als wir losfahren wollten, war das Durchfahrtssignal des Södertälje-Kanals auf Rot. Da wird auch noch gebaut und es ist so eng da, dass immer nur ein Schiff durch kann. Also dümpelten wir da rum und warteten auf das Frachtschiff, was von Süden kam. Aber es hat gedauert und gedauert und gedauert. Irgendwann war mir das zu blöd und ich habe uns an einer Boje festgemacht, Birte hat Spiegelei und Bacon gebraten und wir haben gefrühstückt. Irgendwann sahen wir den Frachter um die Ecke biegen und dachten, es geht gleich endlich los. Vorbei gedacht. Das Signal blieb weiterhin auf Rot, obwohl der Frachter schon durch war. Meine Laune sank von Minute zu Minute. Wir sahen dann in der Kanalbaustelle eine Schute mit einem Baukran darauf, die sich quer in den Kanal legte. Das darf doch wohl nicht wahr sein! Meine Versuche, irgendjemand über Funk zu erreichen, blieben erfolglos. Wir hatten schon die Befürchtung, dass der Kanal den ganzen Tag gesperrt sein würde. Aber nach insgesamt 1,5 Stunden ging das Signal auf Grün und wir konnten endlich weiterfahren. Der Wind kam natürlich wieder von vorne und wir mussten wieder motoren. In Skanshalmen haben wir einen Tankstopp eingelegt und sind dann weitergefahren. Der Wind nahm immer weiter zu, so dass wir letztendlich gegen 25-30 kn Wind anmotort sind. Motoren bei Flaute ist ja schon nicht schön. Aber gegen so viel Wind ist es nur noch ätzend. Und unser kleiner 18 PS Jockel hat dann schon richtig Mühe.
24 sm sind wir so nach Trosa motort. Obwohl, stimmt nicht ganz. Die letzten 6 sm konnten wir doch noch segeln. Wenigstens ein kleiner Lichtblick. In Trosa haben wir dann auch Martin wiedergetroffen. Nach dem Abendessen bin ich noch in die Sauna und Birte ist in die Stadt gebummelt. Ist wohl recht hübsch.
14. August 2019 (Der Tag, an dem ich fast explodiert wäre)
Unser heutiges Ziel war Nyköping. Dort hatten wir uns mit Karl-Heinz und Erika verabredet, die wir ja in Koiguste (Estland) auf ihrer Work-and-Travel-Tour kennengelernt hatten. In Wirklichkeit heißen sie allerdings Jürgen und Priska. Zunächst konnten wir noch segeln, aber nach 5 sm war damit wieder Schluss. Enge Fahrwasser und 25 kn Wind von vorne. Wieder gegenan motoren. Ich war davon mittlwerweile richtig genervt. Normalerweise würden wir das gar nicht machen. Wenn der Wind nicht dafür passt, wo wir hinwollen, fahren wir halt woanders hin. Aber bei der ganzen Zeit, die wir ja auf dieser Reise haben, kamen wir nun doch in Termindruck. Denn wir hatten den Götakanal gebucht und am 19.08. sollte es da losgehen. Und das war noch ein ganz schönes Stück, zu fahren.
Die letzten Seemeilen bis Nyköping ist ein sehr enges Fahrwasser, neben dem es sofort flach wird. In Nyköping gibt es, laut Hafenführer drei Häfen. Da wir mal wieder Einkaufen mussten, haben wir uns einen Hafen ausgesucht, bei dem im Hafenführer das Einkaufssymbol aufgeführt war. Gleich der erste rechts. Und jetzt beginnt das Drama. In diesem Hafen gibt es Schlengel – oder auch Fingerstege genannt – aber 4,50 Meter breit. Wir also mit unseren schlanken 2,98 Metern Breite da rein. Und was uns schon im gesamten Baltikum und auch in Finnland genervt hat, sind die Ringe, durch die man die Festmacherleinen führen muss. Ringe sind so ziemlich das Beknackteste, was man machen kann. Denn dafür muss man das Boot verlassen. Die Finnen haben alle Karabinerhaken an ihren Leinen und picken sich in die Ringe ein. Aber auch dafür muss man das Boot verlassen. In keinem einzigen Hafen der Berufsschiffahrt gibt es Ringe, sondern immer nur Poller. Ich möchte mal das Hafenpersonal oder die Crew eines Kreuzfahrtschiffes sehen, wenn sie erst mal 100 Meter Leine durch einen Ring ziehen und zum Schiff zurückgeben müssen. Hat man Poller, kann man eine Leine vom Boot aus drüber schmeißen und ist safe. Wir hatten 15 kn Seitenwind und Charisma hat sich gegen den Lee-Schlengel gelegt. Auch haben sie keine Ringe am Steg, sondern auf dem Schlengel. Nur dadurch ist der Winkel der Vorleine eher suboptimal. Also haben wir die Luv-Vorleine um einen Laternenpfahl gelegt, die das Versetzen nach hinten schon mal verhinderte. Die Lee-Achterleine war auch kein Problem. Denn an dem Schlengel hatte sich ja Charisma angelehnt. Nur, wie sollen wir die Luv-Achterleine durch den Ring ziehen? Der Schlengel ist nur 10 cm breit und ich hatte kurz darüber nachgedacht, auf dem Schlengel zu balancieren, dieses Unterfangen aber sofort wieder verworfen. Ich wäre unweigerlich baden gegangen. In diesem Moment habe ich den Steghersteller verflucht. Der kann unmöglich selbst Bootfahrer sein. Sonst würde er so einen Murks nicht produzieren.
Die nächste Idee war, Charisma mit dem Bootshaken zum Luvschwengel zu ziehen. Der Versuch endete jäh mit Bruch des Hakens. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an die Firma AWN für die super Qualität, die sie verkaufen. Wenn das ein Bootshaken nicht aushält – denn für genau solche Situationen ist u.a. da – dann ist er sein Geld nicht wert. Wir haben es dann mit dem Bojenhaken versucht. Das hat dann auch geklappt und wir waren endlich mit vier Leinen fest. Ziemlich genervt, aber eben fest, gab es dann das Anlegebier. Ich habe dann Tante Google gefragt, wo der Supermarkt ist? 1,6 km entfernt. Na super! Dann kam eine Nachricht von Priska. Sie würden auf der anderen Seite mit ihrem Womo stehen und dort wäre der Lidl 400 Meter weit weg. Vielen Dank an die Redaktion des Hafenführers. Kurz drüber nachgedacht und dann die Entscheidung: Wir parken um. Also Leinen los und rüber in den anderen Hafen. Dort sind die Schlengel noch schlimmer, weil die Ringe für die Vorleinen nicht auf dem Schlengel sind, sondern darunter. Dafür könnte ich dem Konstrukteur eine drücken. Das alles trug auch nicht zur Besserung meiner Laune bei. Ok, wir waren wieder fest und ich sah Jürgen schon am Ufer entlanglaufen. Die beiden hatten uns schon beobachtet. Ich sag noch zu Birte, dass Jürgen gleich hier ist. Nur er kam einfach nicht. Dann sahen wir Priska am Ufer stehen und uns zuwinken. Wir mögen doch bitte das Tor aufmachen, rief sie. Welches Tor??? Birte ist den Steg runtergegangen und tatsächlich, ein abgeschlossenes Tor. Wir kamen nicht raus, Jürgen und Priska nicht rein. Doch dann kamen zwei Einheimische mit einem Schlüssel und haben aufgeschlossen. Allerdings haben sie uns auch erzählt, dass dies ein Privathafen sei und wir hier nicht liegen können. Wieder herzlichen Dank an die Redaktion des Hafenführers. Denn der hat ihn als Gästehafen ausgewiesen. Jetzt fehlte wirklich nicht mehr viel und ich wäre explodiert. Nun mussten wir wieder die Leinen losschmeißen und haben uns an die Pier im Innenhafen gelegt. Da ist es allerdings recht schön und nett. Allerdings ohne jegliche Versorgung. Brauchten wir aber auch nicht, denn unser Wassertank war gut gefüllt und durch die ständige Motorerei auch die Batterien. Wir hatten keine Ahnung, ob es da einen Hafenmeister gibt und ob wir für den Platz bezahlen müssen. Also haben wir einfach mal gar nichts gemacht und abgewartet, ob jemand kommt. Kam aber keiner. Wir haben dort zwei Tage kostenlos gelegen.
Wir sind dann noch schnell zum Lidl und danach kamen schon Jürgen und Priska und haben uns abgeholt. Wir wollten Essen gehen. Haben wir auch gemacht, genau gegenüber. Charisma im Blick. Sehr schön. Meine Laune hatte sich mittlerweile wieder gebessert und nach dem Essen haben wir Jürgen und Priska noch auf einen Absacker eingeladen. Es war ein sehr schöner Abend.
Ich bekam noch über Facebook eine Nachricht von Hille. Mit Hille stand ich schon seit einiger Zeit in Kontakt. Ich kannte ihn zwar nicht, aber er hatte sich irgendwann nach unserer Reiseankündigung im Frühjahr mal gemeldet, weil er auch so eine ähnliche Tour vor hatte, wie wir. Hille lag in dem ersten Hafen, den wir angefahren sind und hat erst realisiert, dass wir es sind, als wir wieder abgelegt hatten. Wir haben noch kurz telefoniert und uns für den nächsten Tag verabredet. Denn für den nächsten Tag war schwacher Wind und schönes Wetter angesagt und wir hatten einen Hafentag eingeplant.
15. August 2019
Ich lag noch in der Koje – Birte war schon aufgestanden – da hörte ich Birte mit irgendjemanden schnacken. Es war ziemlich schnell klar, das ist Hille. Er wollte noch kurz einkaufen und später noch mal vorbei schauen. Kurz, nachdem ich aufgestanden war und meinen Kaffee in der Sonne genossen habe, kam Hille auch schon zurück. Die Einladung auf einen Kaffee hat er auch nicht ausgeschlagen und so haben wir dann bis kurz vor 1500 gesessen und geschnackt. Hille lag schon sechs Tage in Nyköping und wartete auf seinen Vater und seine Schwester, die am übernächsten Tag kommen sollten, um den Rückweg nach Deutschland mitzusegeln. Wir wollten nochmal Einkaufen, um uns für den Götakanal einzudecken und ich sagte Hille, dass ich später noch mal bei ihm vorbei gerollert käme. Das habe ich nach dem Einkauf auch getan und wir hatten uns vorher schon überlegt, Hille zum Essen einzuladen. Das hat er dann auch dankend angenommen. Kann ich auch verstehen. Denn, wenn man schon sechs Tage alleine in diesem Kaff rumhängt, ist Abwechslung sehr willkommen. Um 1900 kam Hille auch pünktlich zum Essen. Türkischen Hackfleischauflauf hatte Birte gezaubert. Sehr lecker!
Auch dieser Abend war sehr nett und lustig, versprach aber für den nächsten Tag einen dicken Schädel. Und so war es dann auch!
16. August 2019
Unser heutiges Ziel hieß Arkösund. 24 sm. Gut zu meistern. Zunächst mussten wir wieder das lange und enge Fahrwasser aus Nyköping rausmotoren, aber sobald wir etwas Platz hatten, gingen die Segel hoch und wir sind mit dem 2. Reff im Groß wiedermal gegen den Wind angebolzt. War uns aber auch egal. Hauptsache nicht schon wieder unter Motor. Die letzten 7 sm war aber nichts mehr mit Segeln, weil viel zu eng. Aber egal, wenigstens sind wir mal wieder gesegelt.
Arkösund liegt 20 sm vor Mem. Und in Mem ist der Start des Götakanals. Arkösund ist auch ein schöner idyllischer Hafen. Und hier haben wir auch wieder einige deutsche Boote gesehen. Vielleicht wollen die ja auch in de Götakanal? Wir werden sehen.
17. August 2019
Heute nun mussten wir uns vom Stockholmer Schärengarten verabschieden und die 20 sm bis nach Mem segeln. Segeln ging auch, weil wir Richtung NW mussten. Und das geht mit dem immer noch vorherrschendem Südwind ganz gut. Mem liegt auch ziemlich tief in einem Fjord, so dass wir es auch hier immer wieder mit Böen und Winddrehern zu tun hatten. Aber hat trotzdem Spaß gemacht. Was allerdings überhaupt keinen Spaß gemacht hat, war die Begegnung mit der Fähre in Stegeborg. In Stegeborg, 5 sm südlich von Mem, gibt es eine ca. 20 Meter breite Engstelle. Und direkt davor fährt eine Fähre. Diese Fähre haben wir schon von weitem und bummelig 20-30 Minuten vorher gesehen. Sie hat sich nicht bewegt und lag die ganze Zeit am Anleger. 30 Sekunden, bevor wir vor der Fähre und der Engstelle durchgefahren wären, fuhr sie plötzlich los. Und fing an, zu hupen. Es ist da ziemlich eng, wir waren fast platt vorm Laken unterwegs und ich dachte nur: Spinnt der jetzt? Der kann uns doch wohl noch eben durchlassen. Liegt da schon ewige Zeit und muss jetzt losfahren? Wir sind auch nicht so manövrierfähig, wie ein Motorboot. Wir hatten eigentlich gar keine Zeit mehr, zu reagieren und plötzlich nickte Charisma und stoppte mit einem hässlichen Geräusch auf. Was wir nicht wussten und auch nicht gesehen hatten, war, dass es sich hier um eine Leinenfähre handelt. Die haben keinen eigenen Antrieb, sondern werden an einer Stahltrosse gezogen. Liegt die Fähre am Anleger, liegt die Trosse auf Grund. Fährt sie aber los, dann spannt sie sich. Und diese Trosse hat Charisma gestoppt. Ich bin ausgerastet vor Wut. Diese dämliche Arschkrampe von Fährkapitän hat uns voll auflaufen lassen. Obwohl er gesehen hat, dass wir Ausländer sind, mit den Gepflogenheiten vielleicht nicht so vertraut, wie Einheimische, wir das einzige Boot weit und breit waren und er schon 20-30 Minuten dort am Anleger gelegen hatte.
Wir wissen noch nicht, welche Schäden Charisma davongetragen hat, weil das Wasser hier viel zu trüb ist, zum Tauchen. Wir haben keinen Wassereinbruch und das Ruder sowie Propeller funktionieren auch noch einwandfrei. Wir werden es später untersuchen. Eine Stunde später hatten wir unser Ziel dann erreicht. Mem, der Beginn des Götakanals!