Kuressaare – Haapsalu

Juli 16, 2019 0 Von andi

11. Juli 2019

Nach einem Hafentag in Kuressaare wollten wir weiter. Obwohl kein Wind war, waren wir doch getrieben, weiter nach Norden zu kommen. Es war morgens absolute Flaute und wir haben ganz in Ruhe gemacht. Ich habe den Bericht „Visby – Kuressaare“ fertig geschrieben und Birte war noch Einkaufen. Um 1300 Ortszeit habe ich beim Hafenmeister ausgecheckt und dann haben wir die Leinen losgeworfen. Süß war auch hier wieder der Hafenmeister. Bei der Abrechnung sagte er, wir hätten die Fahrräder am Vortag für eine Stunde geliehen. Was dann 3 EUR pro Fahrrad bedeuten würde. Aber ich ehrliche Haut habe ihn dann korrigiert und gesagt, dass es drei Stunden waren. Na gut, meinte er, dann nehmen wir zwei Stunden. Schon klasse hier in Estland.

Wir sind wieder diese ellenlange Fahrrinne rausmotort und am Ende Richtung SE abgebogen. Hier muss man schon gewissenhaft navigieren, weil es überall flache Stellen gibt, die für uns Grundberührungen bedeuten würden. So langsam kam etwas Wind auf. So bummelig 7-8 kn. Allerdings wieder genau von vorne. Also SE. War überhaupt nicht angesagt. Aber gut, das kennen wir ja schon. Das war halt eine lokale Thermik. Da wir aber nur um ein Kap rum mussten und dann Kurs NE auf dem Plan stand, hatten wir uns schon gefreut, dass wir dann Segel setzen können. Das sah der Wind allerdings ganz anders. Kaum waren wir um das Kap rum, hat er sich komplett schlafen gelegt. Anscheinend ist er in der Gewerkschaft und hat die ihm gesetzlich zugesicherte Pause gemacht. Die Bucht von Riga war ein riesengroßer Ententeich. Speigelglatt. Tja, nun hatten wir eine Premiere. Der erste Tag nach 3,5 Wochen, an dem wir komplett motort sind. Schön war natürlich wieder – so ist das mit Murphy halt – , dass 30 Minuten vor dem Hafen natürlich noch segelbarer Wind kam. Aber da haben wir Murphy mal ganz gepflegt den Mittelfinger gezeigt. Jetzt nicht mehr…

Premiere nach 3,5 Wochen

Als Tagesziel hatten wir uns Koiguste ausgesucht. 25 sm entfernt – das kann man unter Motor schon mal machen – und vom Bild im Hafenführer absolut öde und nichtssagend. Hättet Ihr da irgendwelche Erwartungen?

Dort gibt es drei Häuser und den kleinen Hafen. Und das war es dann auch schon. Einzig der Hinweis im Hafenführer, dass dort die legendäre Bar „John’s Place“ sei, weckte ein wenig unser Interesse. Und außerdem muss ja auch nicht immer was los sein. Wir lieben ja auch mal die Ruhe und die Einsamkeit. Aber wie so oft, wenn man überhaupt keine Erwartungen hat, kam es gaaanz anders…

Als erstes war mal wieder der Empfang vom Hafenmeister ausgesprochen herzlich. Und erstaunlicherweise auf Deutsch. Platz zugewiesen, Leinen angenommen, uns herzlich willkommen geheißen, alles erklärt und dann gleich die Frage, ob wir in die Sauna möchten. Hier oben, und in Finnland ja sowieso, gibt es eigentlich in jedem Hafen eine Sauna. Und die ist auch meistens im Hafengeld inkludiert. Echt klasse! Klar, gerne. Ok, aber von 1900 – 2000 sei die schon von einem anderen Boot gebucht. Aber danach könnten wir dann rein. Hm, ist wohl nicht so groß…

Bei der Einfahrt in den Hafen hatte ich nicht darauf geachtet, was für andere Boote noch dort liegen. Es waren aber eh nur sechs. Wir lagen mit dem Heck zum Steg, haben unser Anlegebier getrunken und schon kam ein bekanntes Gesicht vorbei. Es war einer der Schweden, die wir schon in Münto und Kuressaare getroffen hatten. Das waren übrigens Vater mit seinen zwei erwachsenen Söhnen. Alle drei nett und der Vater spricht sogar auch deutsch. Seine Erklärung, warum er eigentlich so gut deutsch spreche, war auch recht lustig. Er meinte nur ganz lapidar:“ Na ja, ich bin Pole.“ Ah ja, das ist logisch…

Als nächstes kamen zwei Kerle, die mich ein bisschen an Pat und Patterchon erinnerten, den Steg lang geschlurft. Der Hafenmeister – oder besser gesagt Hafenbesitzer, ihm gehört das ganze Gelände und der Hafen nämlich -, der immer noch auf dem Steg war meinte dann nur, dass die beiden die Sauna gebucht hätten. Pat (Alexander oder auch Alex)  und Patterchon (Hartmut oder auch Harti) quatschten uns dann auch gleich erst mal mit Berliner Dialekt an. Da standen sie dann eine knappe halbe Stunde und wir haben uns nett unterhalten, Tipps von Alex, der schon des Öfteren hier oben gesegelt ist, bekommen und wir kamen auch auf das Thema Sauna zu sprechen. Wir haben ja nun überhaupt kein Problem damit, mit fremden Menschen in der Sauna zu sitzen. Und die beiden auch nicht. Also haben wir uns für 1900 zur Sauna verabredet. Birte hat noch schnell sehr leckere Wraps zubereitet und dann war es auch schon soweit. Alex und Harti stiefelten mit Saunalaken bewaffnet schon Richtung Sauna, als wir noch am Abräumen waren. Ach egal, Abwaschen können wir auch nach der Sauna noch. Aber auch das kam anders. Wir also den beiden hinterher. Blöderweise war das Licht in der Sauna kaputt. Na ja, kurz Bescheid gesagt und in Ermangelung einer Ersatzglühlampe wurde uns kurzerhand eine Kerze in die Sauna gestellt. In Deutschland wäre sowas wegen irgendwelcher Brandschutzverordnungen natürlich unvorstellbar. Aber hier denkt man halt etwas pragmatischer. Da saßen wir vier nun bei Kerzenlicht, wie die Hühner auf der Stange, in der kleinen Sauna, die eigentlich mit drei Leuten schon fast überfüllt wäre. Aber egal, geht schon. Alex und Harti haben beide einen sehr trockenen Humor und es war total lustig mit Ihnen. Nach dem ersten Gang sind wir dann alle vom Steg in’s Wasser gesprungen. Herrlich! Dann hat Harti erst mal von John’s Place eine Rutsche Bier besorgt. Die legendäre Bar gehört natürlich auch Niklas, dem Hafenbesitzer, und ist auch keine richtige Bar. Eher die Rezeption mit einem großen, gut sortierten Kühlschrank und einem großen Tisch und Stühlen vor der Tür. Es gesellten sich auch noch andere zu uns – ein paar Wohnmobile standen dort auch – und alle sprachen deutsch. Da war eine Familie aus der Schweiz, die nächstes Jahr über den Atlantik segeln wollen, ein Ehepaar aus Thüringen und Erika und Karl-Heinz aus der Pfalz. Erika und Karl-Heinz sind zwar nicht ihre richtigen Namen, aber, da wir völlig vergessen haben, nach den Namen zu fragen, nennen wir sie einfach mal so. Ist auch ein kleiner Insider. Erika und Karl-Heinz sind auf Work and Travel Tour. Sie fahren durch Europa und können mit Ihrem Womo kostenlos stehen, Kost und Logie ist auch frei, aber dafür arbeiten sie dann dort auch. Wir saßen noch so lange dort, bis es irgendwann zu kalt wurde. Da hatten wir aber schon längst beschlossen, hier einen Tag länger zu bleiben und am nächsten Abend gemeinsam zu grillen. Niklas versprach uns, Fisch zu besorgen. Und ich brauchte auch noch Kartoffeln für Kartoffelsalat. Besorgt er auch.

Harti fragte uns dann, als wir gerade gehen wollten, ob wir denn schon den legendären Tallin getrunken hätten. Außer im Glühwein beim Tallin-Stand auf dem Kieler Weihnachtsmarkt noch nicht. Und zack, da war die Einladung auf ihrer Nutmeg – Nutmeg kommt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie „Dumme Nuss“, eine Hanse 34, auch schon ausgesprochen. Echt lecker der Tallin. Eine Flasche und zwei puppenlustige Stunden später haben wir uns dann aber endgültig verabschiedet und sind, ohne über Los zu gehen, direkt in die Koje.

12. Juli 2019

Lange geschlafen haben wir heute mal wieder. War nach dem Abend aber auch nötig. Nach dem Frühstück bin ich zu Niklas in die „Bar“ gegangen und wollte ihn fragen, ob wir mit seinen Fahrrädern mal zum nächsten Laden fahren können und wo der denn wohl sei? Wieso, was braucht ihr? Mayonaise, Sahne und Milch. Deswegen bräuchten wir doch nicht extra losfahren. Eines der deutschen Wohnmobilpärchen, nämlich Erika und Karl-Heinz, die den ganzen Sommer bei ihm verbringen, seien eh schon unterwegs. Er würde sie anrufen und dann könnten sie die Sachen mitbringen. Fisch hatte er auch schon besorgt. Heute Morgen frisch gefangen. Und die Kartoffeln waren auch schon da. Da Niklas schon von Alex gehört hatte, dass es bei uns gestern etwas länger geworden ist, hat er mir auch gleich noch ein Konter-Bier hingestellt. Und natürlich selbst auch eins getrunken. Also saßen wir da noch eine halbe Stunde und haben geschnackt. Wir sind immer wieder überwältigt von der Freundlichkeit und Herzlichkeit der Menschen hier oben. Einfach zum Knutschen.

Danach fing es dann leider an, zu regnen. Ich habe ein bisschen am Rechner gearbeitet und Birte ist in Ihren vollverdienten Mittagsschlaf gefallen. Gegen 1700 – der Regen hatte bereits aufgehört – standen plötzlich Erika und Karl-Heinz bei uns am Boot und drückten uns eine Tüte mit den von uns bestellten Sachen in die Hand. Mehr geht einfach nicht.

Also habe ich mich gleich mal daran gemacht, den Kartoffelsalat zuzubereiten. Um 1800 sind wir dann zu Niklas rübergestiefelt, bepackt mit allen Sachen, die wir zum Grillen brauchen. Niklas hatte einen nagelneuen Grill, hat uns Kohle hingestellt und auch die 10!!! Barsche für uns auf den Tisch gestellt. 10 Stück für vier Leute. Wer soll das alles essen? Zumal Alex und ich nicht so die Fischesser sind. Aber egal, es war einfach nur super nett von Niklas.

Das mit dem Fischgrillen hat sogar einigermaßen gut geklappt, aber es ist einfach nicht meins. Diese verdammten Greten!!! Trotzdem war es sehr lecker und mein Kartoffelsalat kam auch wieder gut an. Wir saßen mitten in der Natur, haben lecker gegessen, „White wine with the fish“ getrunken und der Sonne beim Untergehen zugesehen. Was will man mehr…

Nach dem Grillen war natürlich noch ein Saunagang angesagt, abkühlen in der Bucht und noch einige nette Gespräche geführt. John’s Place ist quasi die Zentrale. Dort trifft sich alles, was da ist. Wirklich nett. Ein absolutes „Muss“, wenn man in der Gegend unterwegs ist.

13. Juli 2019

Morgens strahlte die Sonne von einem wolkenlosen Himmel. Blöderweise lagen wir mit dem Heck nach Westen und saßen im Schatten des Bootes. Also haben wir kurzerhand um geparkt, das Boot mit Heck nach Osten wieder angelegt und schön in der Sonne gefrühstückt. Ich muss an dieser Stelle mal betonen, dass das Wetter die letzten zwei Wochen selten schlecht war, aber temperaturmäßig nicht mit den ersten zwei Wochen vergleichbar. Das Niveau liegt nur noch so bei 16 – 17 °C. Aber da es an diesem Morgen quasi windstill war, war es dann doch warm. Da Alex und Harti auch das Ziel Tallin haben, weil Harti von da aus nach Hause fliegt, hatten wir beschlossen, noch ein Stück gemeinsam zu Segeln. Heute war unser nächstes Ziel Lounaranna auf der Insel Muhu. Und wir hatten uns eigentlich schon auf eine komplette Motorfahrt eingestellt. Denn Wind war keiner angesagt. Doch keine 30 Minuten nach dem Ablegen kam eine leichte Thermikbrise auf. Und, da wir es ja nicht eilig hatten, haben wir die Segel gesetzt und sind mit Backstagbrise und bummelig 4 kn Speed an der Küste entlang gesegelt. Die Sonne schien, es war warm an Bord und wir haben die ruhige Fahrt ohne Wellen sehr genossen. 8 sm vor dem Ziel ist der Wind dann aber leider komplett eingeschlafen und wir haben wieder den Motor angeschmissen. Doch keine zehn Minuten später sahen wir vor uns auf dem Wasser wieder einen dunklen Streifen. Wind! Der kam dann auch, zwar aus genau der entgegen gesetzter Richtung, wie vorher, aber perfekt für uns, um nach Lounaranna zu segeln.

Lounaranna war nun nicht wirklich spannend, aber auch irgendwie ganz niedlich. Nach dem Essen kamen noch Alex und Harti zu uns an Bord, eine Flasche Gin im Gepäck, und wir haben noch einige Zeit gesessen, geschnackt und den Plan für den nächsten Tag geschmiedet. Da unsere Vorräte sich langsam dem Ende neigten, mussten wir mal wieder einkaufen. Das würde in Virtsu auf dem Festland gut funktionieren. Denn da liegt der Supermarkt nur 300 Meter vom Hafen entfernt. Da Alex aber meinte, der Hafen sei überhaupt nicht schön, machte er den Vorschlag nach Kuivastu – auch auf Muhu – zu segeln und von dort mit der Fähre rüber nach Virtsu zum Einkaufen zu fahren. Gesagt, getan!

14. Juli 2019

An diesem Morgen wehte – mal wieder – ein leichter Wind aus N. So langsam nervt es. Seit fast zwei Wochen haben wir permanent Nordwind. Wo wir doch nach Norden wollen. Immer nur gegenan. Aber nützt ja nix. Dann wird halt wieder gekreuzt. Doch zunächst mussten wir aus der Bucht von Lounaranna Richtung Süden auslaufen. Also erst mal wieder platt vorm Laken. In letzter Zeit gibt es bei uns nur noch gegenan oder platt vorm Laken. Alex und Harti waren schon eine Stunde vor uns ausgelaufen und wir wollten uns dann in Kuivastu treffen, um mit der Fähre nach Virtsu rüber zu fahren. Als wir dann auf Kurs N gingen, nahm der Wind – natürlich – wieder deutlich zu. War übrigens wieder nicht angesagt. Wir sind allerdings mit zwei Kreuzschlägen hingekommen und als wir ca. 30 Minuten vor Kuivastu waren, habe ich Alex angefunkt, weil ich wissen wollte, ob es da Stege gibt, oder Heckbojen. Geantwortet hat Harti. Alex hätte beschlossen, nach Haapsalu weiter zu segeln, weil der Wind so günstig sei. Günstig? Das würde bedeuten, noch 25 sm gegenan zu bolzen. Und zu dem Zeitpunkt hatten wir schon 20 kn von vorne. Ich konnte Charisma unter Vollzeug noch so gerade eben bändigen. Wäre es noch mehr, müssten wir reffen. Ich wünschte ihnen also noch eine gute Reise und habe mir gedacht: Na dann, viel Spaß noch!

Wir sind also in Kuivastu eingelaufen und als wir in den Hafen kamen sprang da so eine Art HB-Männchen auf dem Steg rum und hat uns einen Platz zugewiesen. Der hat so mit den Armen gezappelt, dass ich schon fürchtete, er hätt einen epileptischen Anfall. Na ja, reingefahren, festgemacht, Anlegebier getrunken und fertig! Das HB-Männchen wollte dann noch von uns wissen, wo wir herkämen und wo wir hinwollen. Das ist hier in Estland irgendwie üblich. Ich habe allerdings keine Ahnung, warum. Dann zog er wieder von dannen. Die nächste Stunde  ging es zu, wie im Taubenschlag. Ein Boot nach dem anderen kam in den Hafen, um vor dem immer weiter zunehmenden Nordwind Schutz zu suchen. Und irgendwann gucke ich so Richtung Hafeneinfahrt und sehe Alex und Harti einfahren. Aha, war dann wohl doch kein Spaß das Gegenangebolze. Und so war es auch. Sie waren schon etliche sm nördlich von Kuivastu, als es immer ungemütlicher wurde. Darum hatten sie entschieden, wieder nach Kuivastu abzulaufen. Gute Entscheidung, wie sich am nächsten Tag herausstellen sollte.

Was ich Euch aber noch unbedingt erzählen muss, ist die Geschichte von Klapper-Klaus: Zwei Stege neben uns kam ein finnisches Boot, besetzt mit Papa, Mama, Sohn und Enkelin. Sohn war wohl Skipper. Die legen also an, machen fest und klaren erst mal auf. Und die ganze Zeit klappert ein Fall am Mast. Wir denken uns so: Na ja, werden die ja wohl hoffentlich auch hören und es abstellen. So sah es auch zunächst aus. Skipper geht also zum Mast und guckt nach oben zu dem klappernden Fall. Allerdings in einer Bewegungsgeschwindigkeit, bei der selbst ein Faultier denken würde, es wär Zeitlupe. Und dann hat er überlegt. Überlegt und überlegt und überlegt. Aber auch so langsam, als würde in seinem Hirn noch ein 286-er Prozessor arbeiten. Hat ein bisschen hier gezogen, hat ein bisschen da gezogen, aber nichts hat geholfen. Ich sagte noch zu Birte:“Hol das Popcorn, das wird hier noch ein klasse Film.“ Dann ist Klapper-Klaus – wir haben ihn einfach mal so getauft, weil das Kind muss ja einen Namen haben –  zur Backskiste gegangen und hat ein Gummistraps geholt. Ah, er will es wegbinden, super. Also wir haben uns das die ganze Zeit gemütlich angeguckt. Nun wollte er das Fall mit dem Straps zur Want hin abbinden. Das hatte allerdings nur mäßigen Erfolg. Es klapperte weniger, aber es klapperte noch. Nun versuchte er es, mit nach vorne ziehen. Das hat funktioniert. Kein Klappern mehr. Dummerweise sind ihm wohl die Siemens-Lufthaken ausgegangen, denn nach vorne war nichts, wo er den Straps hätte einhaken können. Wieder ein ratloses Gesicht. Tja, und dann hat er einfach aufgegeben. Ich saß da, habe mir das alles so angeguckt und nur gedacht: Das glaube ich jetzt nicht. Na gut, vielleicht muss er noch einige Zeit über die Problematik nachdenken. Und denken geht ja anscheinend nicht so schnell bei ihm. Aber es tat sich nichts mehr. Er saß im Cockpit und hat gelesen. So nach einer halben Stunde habe ich dann rüber gerufen, er möchte doch bitte das Klappern abstellen. (Uns und die meisten, die ich kenne, macht dieses Klappern nämlich wahnsinnig. Vor allem nachts, wenn man schlafen möchte.) Er meinte dann nur: Geht nicht! Wie geht nicht? Gib einfach ein bisschen Lose rein und dann ist Ruhe. Nach diesem Hinweis hat er uns – ungelogen – fünf Minuten angestarrt. Wir wussten gar nicht, was er jetzt will und wie wir mit dieser Situation umgehen sollen. Aber dann plötzlich ist er aufgestanden, zum Mast gegangen und hat ein bisschen Lose in das Fall gegeben. Und zack, schon war Ruhe. Wat ne schwere Geburt.

Da wir überhaupt keine Lust mehr hatten, mit der Fähre nach Virtsu zum Einkaufen zu fahren und festgestellt hatten, dass es im Fährterminal einen Kiosk gibt, bei dem wir uns mit dem Nötigsten versorgen können, haben wir beschlossen, einfach hier zu bleiben.

Auch in Kuivastu gibt es eine Sauna inklusive. Genauer gesagt sogar zwei. Eine in den Frauenduschen und eine in den Männerduschen. Nachdem wir also gekocht und gegessen hatten, haben wir unser Duschzeug und Saunahandtuch gepackt und sind losmarschiert. Weil wir gerne zusammen in die Sauna wollten und bei den Frauen niemand war, bin ich zu Birte in die Frauensauna gegangen. Dann kamen allerdings noch zwei Damen und irgendwie hatten wir das Gefühl, dass die beiden nicht wirklich davon begeistert waren, dass ich dort in der Sauna saß. Egal, da müssen sie jetzt durch. Den zweiten Gang haben wir dann allerdings in der Männersauna gemacht. Dort waren mittlerweile auch Alex und Harti angekommen und den ist es eh egal. Danach ist nicht mehr viel passiert. Noch einen Absacker und ab in die Koje.

15. Juli 2019

Heute wollten wir dann nun die 28 sm nach Haapsalu segeln. Haapsalu soll sehr schön sein und stand eh auf unserer Liste. Laut Auskunft des Hafenmeisters am Abend vorher hätten wir sowieso den Hafen verlassen müssen, weil am nächsten Tag eine Regatta mit 130 Booten von Haapsalu nach Kuivastu kommen würde und der Hafen dafür geräumt würde. Laut Vorhersage sollte sich im Laufe des Tages ein immer stärker werdender Südwind ausbilden. Super, wieder platt vorm Laken. Morgens noch schwach und über Tag bis zum Abend immer stärker werdend. Also kein Stress. Um kurz nach 0900 stand plötzlich Harti bei uns am Boot und meinte, bei Ihnen sei Alarmstart angesagt. Alex sei drei Minuten vorher aufgestanden und hat gesehen, dass wir gerade Westwind haben. Und das wäre ja nun super, um nach Norden zu segeln. Hm, kann aber auch nur noch der Rest Landwind sein, der Nachts eingesetzt hatte. Ich war gerade aufgestanden und brauchte erst mal in Ruhe meinen Kaffee. Kein Stress! 15 Minuten später hat die Nutmeg dann abgelegt und weitere 15 Minuten später war der Westwind dann auch schon komplett weg. Wir sind allerdings doch auch relativ zügig aufgebrochen. Zunächst eine Stunde unter Motor, aber dann kam von Süden ein dunkler Streifen. Der Wind kommt! Und das tat er dann auch genau, wie vorhergesagt. Erst schwächlich, dann aber stärker werdend. Die Nutmeg, die mehr oder weniger in der Flaute gestanden hatte, hatten wir noch unter Motor überholt. Plötzlich sah ich ca. 50 Meter neben unserem Boot irgendwas im Wasser treiben. Ich nahm Gas weg und fuhr auf das Etwas zu. Es sah aus, wie eine Halbkugel auf dem Wasser. Birte hoffte, dass es nichts Ekeliges sein würde. Und ich auch. Als wir aufstoppten, um uns das anzusehen, waren wir erleichtert. Es war zwar eine Leiche, aber nicht die eines Menschen. Sondern ein Wildschwein. Wie auch immer das Vieh da hingekommen war.

Wir nutzen das Aufstoppen, um die Segel zu setzen und waren zunächst platt vorm Laken mit 4 – 5 kn unterwegs. Die Nutmeg knapp hinter uns. Der Wind tat, wie ihm geheißen und legte Stück für Stück zu. Wir mussten um eine Kardinaltonne herum und dann in ein Fahrwasser einbiegen. Denn auch hier waren überall Flachs. Irgendwann sahen wir vor uns die ersten Boote der Regatta. Und dann immer mehr. Das Blöde war nur, dass die Regattaflotte die Kardinaltonne als Bahnmarke nutzte und wir fast zur gleichen Zeit dort waren. Aber nur fast. Denn die meisten Boote waren schon rum. Doch mit ca. 10 Booten kamen wir dann doch in’s Gehege. Und einigen mussten wir ausweichen. Nicht schön, wenn man platt vorm Laken unterwegs ist. Oder, wie die Nutmeg, sogar im Schmetterling. Es gibt ein ungeschriebenes Gesetz: Nämlich, dass man ein Boot, dass platt vorm Laken segelt, nicht zum Ausweichen zwingt, auch wenn man Wegerecht hat. Denn die Möglichkeiten sind begrenzt. Besonders im Schmetterling. Tja, das hat die Regattasegler hier allerdings nicht die Bohne interessiert. Und so mussten wir doch einigen Booten ausweichen. Viel Platz war zwischen der Kardinaltonne und dem Flach allerdings nicht. Ist aber alles gut gegangen.

Nachdem wir das kurze schmale Fahrwasser passiert hatten, hangelten wir uns von Kardinaltonne zu Kardinaltonne nach Haapsalu. Allerdings hatten wir noch einen kleinen Zwischenfall. Wir haben auf dieser Reise irgendwie immer wieder Kollisonskurs mit der Berufsschifffahrt. Bisher sind aber alle brav ausgewichen. Nur heute nicht. Wir hatten Kollisionskurs mit einer Fähre. Ich war mir aber sicher, dass sie gleich in das Fahrwasser einbiegen und den Kurs ändern würde. Und wir würden das Fahrwasser vor der Fähre schon gekreuzt haben. Tja, die Fähre änderte ihren Kurs allerdings nicht und fuhr auch nicht in das Fahrwasser. Somit hätte sie uns ausweichen müssen. Als Vorfahrtberechtigter hat man jedoch eine Kurshaltepflicht. Und diese Pflicht habe ich auch zunächst erfüllt. Aber irgendwann, wenn man merkt, dass der andere partout nicht ausweicht, kommt dann das Manöver des letzten Augenblicks. Also fuhr ich einen Kringel und wir gingen hinter der blöden Fähre durch.

Wir sind quasi gleichzeitig mit der Nutmeg in Haapsalu eingelaufen und haben sogar zwei freie Plätze nebeneinander gefunden. Alex und Harti sind einkaufen gegangen. Wollten wir eigentlich auch, hatten aber keine Lust und sind an Bord geblieben. Da für den nächsten Tag Regen und Flaute angesagt war, hatten wir beschlossen, einen Hafentag einzulegen und würden dann tags darauf einkaufen. Auf dem Rückweg vom Einkauf haben Alex und Harti uns von 2000 – 2100 im Saunabuch eingetragen. Denn auch hier gibt es eine Sauna im Hafengeld inklusive. Kochen hatten wir alle keine Lust und so beschlossen wir erst im Hafenrestaurant etwas zu essen und danach in die Sauna. Blöderweise haben wir so lange gegessen, dass wir erst um 2100 bei der Sauna waren. Dort stand allerdings nun schon die Crew eines anderen Bootes, die für 2100 reserviert hatten. Tja, Pech. Dann halt morgen und diesmal pünktlich.

Alex wollte noch ein bisschen lesen, aber Harti hat unsere Einladung auf einen Absacker  angenommen und wir haben noch ziemlich lange bei uns unter der Kuchenbude gesessen und geredet.